Elektronische Chipkarten ersetzen Papierausweise / Hemmschwelle ist groß
Kundschaft: Nur wer berechtigt ist und offiziell als "bedürftig" gilt, darf im Gaggenauer Tafelladen einkaufen gehen. Foto: Regina Frammelsberger
Gaggenau – Seit 14 Jahren setzt sich der Verein "Murgtal Tafel Gaggenau" mit viel ehrenamtlichem Engagement für bedürftige Menschen aus der Region ein. Die Mitarbeiter holen übrig gebliebene Waren aus Bäckereien und Lebensmittelläden ab und verkaufen sie zweimal pro Woche zu niedrigen Preisen im Tafelladen.
Die Nachfrage war schon immer groß und ist seit Corona noch gestiegen. Um die Kundschaft weiterhin zuverlässig zu erfassen, ist eine Modernisierung notwendig. Schon seit längerer Zeit hat Norbert Gerstner, Leiter des Ausweisteams, den Plan der Digitalisierung verfolgt.
Nun ist es soweit: Seit Februar werden die großformatigen Papierausweise der Gaggenauer Tafel nach und nach durch elektronische Chipkarten ersetzt. Am Ladeneingang erfasst ein Scanner die Tafelkunden und berechtigt sie zum Kauf der Produkte. Das Angebot ist vielfältig, jedoch immer abhängig von der angelieferten Ware: Von Grundnahrungsmitteln, Dosenwaren, Obst und Gemüse über Teig-, Fleisch-, Milch- und Backwaren ist alles dabei.
Allerdings kann nicht jeder einfach vorbeikommen und im Tafelladen einkaufen, sondern nur wer eine entsprechende Bedürftigkeit vorweisen kann. Das fehlende oder niedrige Einkommen der Kunden muss überprüft, registriert und immer wieder aktualisiert werden. Die Eingabe erfolgte bisher mithilfe einer Excel-Datei, was Gerstner als "immensen Zeitaufwand" beschreibt.
Mit dem neuen, digitalisierten System wird die zeitaufwendige Doppel- und Dreifachdokumentation nun im servergestützten System zusammengefasst und erleichtert den ehrenamtlichen Mitarbeitern den Überblick über ihre Kunden. Und nicht nur das: "Wir versprechen uns auch eine Verbesserung für unsere Sonderaktionen", so Gerstner.
System verschafft schnellere Übersicht
Wenn bisher mit viel Mühe das Alter und Geschlecht der Kinder beachtet und errechnet werden musste, sind sie jetzt im System ihrer Familien erfasst. Für die anstehende Osteraktion können die Tafelmitarbeiter nun mit einem Klick erkennen, für wie viele Jungen und Mädchen ein alterstypisches Geschenk gebraucht wird.
Das Filtern erlaube auch einen schnellen Überblick über Herkunft und soziale Bedürftigkeit der Kundschaft. Die exakte Registrierung im System ist notwendig, aber vielleicht ein Grund dafür, dass "die Hemmschwelle bei vielen Menschen sehr hoch ist", bedauert Gerstner.
Er ist sich sicher, dass es in der Region zwischen Forbach und Bischweier noch etliche Menschen gibt, die zu einer Unterstützung berechtigt wären – Rentner, Arbeitslose oder Alleinerziehende. Sich dies einzugestehen und sich offiziell als "bedürftig" zu bezeichnen, falle jedoch vielen Menschen schwer.
Aus diesem Grund machen Asylanten laut Gerstner den Großteil der dankbaren Kundschaft aus. Durch steigende Energiepreise erwartet der engagierte Tafelmitarbeiter aktuell ein Ansteigen der Bedürftigkeit. Mit dem Bild einer Schere erläutert er seine Beobachtung, dass sich zugleich die Warenrückläufe von Discountern durch ein digitales Bestellsystem reduzierten.
Als Umweltschützer begrüße er diese Entwicklung einerseits, sorge sich aber um die ansteigende Tafel-Kundschaft, denen dann weniger Waren zur Verfügung stehen. Wer dienstags und freitags nicht selbst zum Einkaufen kommen kann, könne unter bestimmten Voraussetzungen das Angebot von "Tafel Mobil" nutzen. Im digitalen System des Tafelladens werden außerdem Personen erfasst, die für den Kunden zum Kauf berechtigt sind.